Offener Wohnraum, sicherer Rückzugsort: Die neue Ära des urbanen Wohnens
2025-01-15
Schweizweit setzen grosse Bauprojekte zunehmend auf barrierefreie, flexible und sichere Wohnkonzepte, um den vielfältigen Bedürfnissen der Bewohner gerecht zu werden. Innovative Zutrittslösungen sind dabei ebenso entscheidend wie die Einhaltung geltender Bauvorschriften und Normen.
Bis 2050 erwartet das Bundesamt für Statistik einen Anstieg der Wohnbevölkerung auf 10,4 Millionen Personen. Da die Suche nach bezahlbarem Wohnraum in den urbanen Zentren bereits heute besonders für Familien eine grosse Herausforderung darstellt, gehen Städte wie Luzern oder Zürich dieses Problem mit umfassenden Überbauungskonzepten an. So plant etwa die SBL Wohnbaugenossenschaft Luzern den Bau von 103 Wohnungen inklusive Kindergarten, Clusterwohnungen für Wohngemeinschaften, Jokerzimmer, Gewerbeflächen und eine Velowerkstatt. Die Stadt Zürich möchte mit dem Projekt "Harsplen" den gemeinnützigen Teil des Mietwohnungsbestandes bis 2050 auf ein Drittel erhöhen und Wohnraum für mindestens 700 Personen schaffen.
Neben der Bereitstellung bezahlbarer Wohnfläche gewinnen auch Bauvorhaben an Bedeutung, die den Wohnraum an unterschiedliche Lebenssituationen anpassen. Bereits heute benötigen über 2 Millionen Menschen in der Schweiz hindernisfreien Zugang, darunter etwa 600.000 Menschen mit starken Beeinträchtigungen und 1,6 Millionen Menschen über 65 Jahre. Da ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung bis 2050 etwa ein Viertel ausmachen wird, soll in Zürich-Seebach ein altersgerechtes Hochhaus entstehen, das auch ein Gesundheitszentrum beherbergen wird.
Diese Beispiele zeigen, dass es bei der Planung grosser Überbauungen nicht nur um die Schaffung von Wohnfläche geht, sondern vielschichtige Interessen und Lebenssituationen zu berücksichtigen sind. Das gilt vor allem auch für die Mindestvorgaben des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG), da diese in den meisten Kantonen bereits ab vier oder fünf Wohneinheiten vorgeschrieben sind. Welche Konzepte umgesetzt werden müssen, regeln im Sinne der Philosophie des «Design for All» die Normen SIA 500 «Hindernisfreie Bauten» in den Kapiteln 9 und 10 sowie VSS SN 640 075 «Hindernisfreier Verkehrsraum». Noch einen Schritt weiter gehen die Vorgaben für spezifische Wohnformen, welche über die allgemeinen Anforderungen an Wohnbauten hinausgehen. Bei diesen Spezialbauten, zu denen etwa Alterswohnungen sowie Wohn- und Pflegeeinrichtungen zählen, gilt es zusätzlich zur SIA 500 auch die von einigen Kantonen definierten Richtraumprogramme oder Richtlinien zu studieren. «Um sicherzustellen, was im Einzelfall tatsächlich umgesetzt werden muss, sollte bereits in einem frühen Planungsstadium der Dialog mit den zuständigen Behörden gesucht werden», betont Sandro Ramundo, Teamleader Specification & Key Account Management PEU bei der ASSA ABLOY (Schweiz) AG.
Diese Vorgaben haben zugleich unmittelbare Konsequenzen für die Ausstattung der Wohnanlagen mit geeigneten Zutrittstechnologien. Hindernisfreie Durchgänge erfordern vorgeschriebene Mindestmasse bei Bewegungsflächen, Durchgängen, Korridoren und Türen. Da für Rollstuhlfahrer und ältere Menschen die kleinste Kante zur Stolperfalle werden kann, sollten Türsysteme geeignete Absenkdichtungen verwenden. Nach Inkrafttreten der DIN EN 17210, die die maximal zulässige Schwellenhöhe auf 10 mm senkt, sind hier Lösungen mit niedrigem Profil gefragt.
Das Beseitigen von Stufen oder Schwellen allein reicht jedoch nicht aus, um Türen vollständig barrierefrei zu machen. Auch die notwendige Körperkraft zum Öffnen spielt eine Rolle. Entsprechend gilt es, die Vorgaben der SIA 500 zu berücksichtigen, zum Beispiel bei Türdrückern, die gut umgreifbar sein müssen. Ein spezielles Türdrückerdesign, das eine Betätigung am Griffende begünstigt, kann zudem die Hebelwirkung unterstützen. Genormt ist auch das Kraftmoment, das beim Einsatz von Türschliessern berücksichtigt werden muss: Laut SIA 500 sollten sie mit einer Kraft nicht grösser als 30 N und einer Geschwindigkeit von ca. 1°/s bedienbar sein. Spezielle Türschliesser können diesen Gegendruck niedrig halten, beispielsweise mit der CAM-Motion Technologie, welche den Öffnungswiederstand deutlich reduziert, und mit einer hydraulischen Schliessverzögerung mehr Zeit zum Passieren gewähren. Gleichzeitig gibt es Lösungen, bei denen die Türschliesserfunktion erst bei Bedarf aktiv wird und die hydraulische Schliessfunktion beispielsweise durch Knopfduck oder Ansteuerung von der Brandmeldeanlage freigegeben wird. Dies hat den Vorteil, dass Türen im Tagesbetrieb leichtgängig oder sogar offenbleiben können und keine Barriere darstellen.
Da grosse Überbauungen eine höhere Zahl an Wohnparteien aufweisen, ist zudem eine leistungsfähige Schliesstechnik essenziell. Zeitgemässer mechanischer Einbruchschutz sollte mindestens der Klasse RC2 innerhalb der DIN-Normenreihe EN 1627-1630 oder der VdS-Klasse N entsprechen. Modulare Schliesssysteme, die Zylinderprofile für Wohnungstüren, Möbel- und Schranktüren bis hin zu Briefkästen, Garagen oder Aufzugssteuerungen bieten, sind empfehlenswert. In Objekten mit gemischter Nutzung, wie Wohn- und Gewerbeflächen oder Healthcare-Einrichtungen, kann sich der Einsatz elektronischer Schliesslösungen rentieren. Sie bieten grosse Flexibilität und Verwaltungskomfort, indem Zugangsberechtigungen schnell und unkompliziert festgelegt und zeitlich begrenzte Autorisierungen vergeben werden können. Verlorene Schlüssel können einfach über eine Web-Manager-Software deaktiviert werden. Zudem ermöglicht die Dokumentation aller Schliessereignisse einen erhöhten Sicherheitsstandard.